Robert Vogdt

Robert Vogdt

Designer und Herrenschneider

7. November 2016

Berlin

Der Berliner Designer und Herrenschneider Robert Vogdt, der sein Handwerk von 2006 bis 2010 im Hamburger Maßatelier Marc Anthony lernte, eröffnete 2014 das Atelier Robert Vogdt in Berlin-Kreuzberg. Mit der Gründung seines Ateliers wollte Robert ein ehrliches Produkt schaffen, das durch die besondere Verarbeitung und den Einsatz sorgfältig ausgesuchter Materialien besticht. Im Gegensatz zur individualisierten Massenanfertigung, die dem Kunden eine Maßanfertigung vortäuscht, kann man im Atelier Robert Vogdt handwerklich anspruchsvolle, dennoch bezahlbare Anzüge finden, die in einem vertrauten Umfeld angepasst werden. Roberts Atelier ist ein Treffpunkt für Menschen, die diese Herangehensweise wertschätzen und nicht selten werden hier Kunden zu Freunden. Die Räumlichkeiten in der Möckernstraße teilen sich in ein Arbeitsatelier, in dem Robert seine Kunden empfängt, entwirft und schneidert, und die Wohnräume, die er mit seiner Freundin Anna teilt. Hier versucht er ein reduziertes, modernes Raumgefühl mit der Gemütlichkeit einer leicht chaotischen Jugendstilwohnung zu verbinden. Und mittendrin finden wir ein USM Sideboard mit einer langen Familiengeschichte.

Roberts Atelier in dem er maßgeschneiderte Anzüge fertigt und Kunstwerke seiner Freunde sammelt.

Was gefällt Dir besonders an Deiner Arbeit?

Neben dem Umstand, mich bei meiner Arbeit viel mit interessanten Materialien und der grundlegenden Formensprache männlicher Eleganz beschäftigen zu dürfen, genieße ich besonders den zwischenmenschlichen Umgang mit meinen Kunden. Es ist immer wieder grandios festzustellen, was für unterschiedliche Charaktere Ihren Weg in mein Atelier finden.
Kürzlich habe ich eine Uniform für einen Generalstabsoffizier der Luftwaffe gemacht, einige Tage später stand ich vor der Aufgabe, einen veganen Hochzeitsanzug aus Bio-Leinen, ohne Rosshaareinlagen oder Hornknöpfe zu entwerfen. Es macht mir wahnsinnigen Spaß, mich immer wieder auf unterschiedliche Persönlichkeiten einzustellen, diese verstehen zu lernen und auf Grundlage ihrer individuellen Eigenschaften und Bedürfnisse ein passendes Gewand zu konzipieren.

Wonach fragen Deine Kunden besonders häufig? Gibt es bestimmte Trends, die Du erkennen kannst?

In der vergangenen Dekade lag, meiner Empfindung nach, bei Jacken und Anzügen ein starker Fokus auf körperbetonten Schnitten. Das vornehmlich wichtige Attribut bestand also darin, dass eine Jacke extrem schmal in der Schulter und der Taille geschnitten ist, wodurch eine recht strenge, androgyne Silhouette geschaffen wurde.

Mittlerweile stelle ich fest, dass das Interesse meiner Kunden sich vermehrt in Richtung der Verarbeitungstechniken und der damit einhergehenden Qualität bewegt. Gleichzeitig sehe ich, dass der Aspekt des Tragekomforts und der Bequemlichkeit mehr in den Vordergrund tritt. Enge, kurze Jacken, kleine Krägen und schmale Schlipse wirken plötzlich sehr angestrengt. Zusätzlich hat der „Skinny Trend", der ursprünglich mal als „Heroin Chic" galt, schon lange den Weg bis ins biederste Frühstücksfernsehen vollbracht.

Natürlich soll der optimale Anzug genau passen, was bereits eine köpernahe Passform voraussetzt. Trotzdem denke ich, dass unter Berücksichtigung von exquisiten Materialien, grandioser Verarbeitung und auch einfach um der männlichen Lässigkeit Willen es nicht falsch sein kann, etwas mehr Großzügigkeit zu wagen. Dieses Grundgefühl wird, wie man sieht, ja auch bereits an verschiedenen Stellen durch üppige Revers und voluminöse Seidenaccessoires in Angriff genommen.

Ich stelle im Alltäglichen immer wieder für mich fest, dass ich den selbstverständlichen Stil von Männern, die tatsächlich wie erwachsene Männer aussehen, wesentlich interessanter finde, als den der dekorierten School Boys.

“Selbstverständlich ist die Nachfrage nach maßgefertigten Anzügen in den letzten Jahren deutlich gestiegen.”

Roberts USM Regal hat eine bewegte Geschichte und dient bereits in zweiter Generation

Ist die Nachfrage nach maßgeschneiderten Anzügen in den letzten Jahren größer geworden?

Selbstverständlich ist die Nachfrage nach maßgefertigten Anzügen in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Dies hängt vornehmlich damit zusammen, dass das Konzept der „Mass Customization”, also einer individualisierten Massenanfertigung, sich in dem Bereich etabliert hat.

Heute ist ein „maßgefertiger" Anzug, der durch buntes Futter, verrückte Knopflöcher und ein Monogramm des Adressaten besticht, bereits zu einem sehr geringen Preis zu haben. Diese Anzüge werden in der Regel in Übersee gefertigt und sind, wenn auch individualisiert, relativ primitiv verarbeitet. Auch wenn der Gedanke vom ökologischen Handwerk und „Heritage" sich innerhalb der Avantgarde unserer Gesellschaft ebenso etabliert hat, darf man nicht der Täuschung anheim fallen, dass dies in einem direkten Zusammenhang steht, da es sich bei besagten Anzügen, wie gesagt, immer noch um eine individualisierte Massenanfertigung handelt.

Der richtige konventionelle „Full Handmade Bespoke Anzug”, der in reiner Handarbeit entsteht und mindestens sechs Anproben bedarf, liegt in der Regel immer noch bei einem Preisniveau ab etwa 2.500€. Man kann allerdings schnell auch beim Doppelten liegen. Es handelt sich also hierbei definitiv um ein streng elitäres Produkt, das den wenigsten zur Verfügung steht.

Ich selbst wollte aber etwas schaffen, das selbstverständlich von den Menschen in meinem Umfeld genutzt wird und das trotzdem mehr als das ist, was man normalerweise von „Made-to-Measure” oder Maßkonfektion gewöhnt ist. Mit dieser Erkenntnis versuche ich bei meinem Angebot einen Mittelweg zu finden, der eine handwerklich anspruchsvolle Verarbeitung in einem vertrauten Umfeld mit einem Preissegment vereint, welches nicht nur den Wenigsten vorbehalten bleibt. Auch wenn ich anfangs oft ernste Bedenken hatte, dass dieser Ansatz Kompromiss und Wagnis zugleich sein würde, scheine ich hiermit für viele geistig verbundene Männer dieser Stadt eine Lücke zu füllen.

Du verbindest Deinen persönlichen Wohnraum mit Deinem Atelier. Was sind die Vor- und Nachteile der geteilten Räumlichkeiten?

Bei Gesprächen mit Kunden dient mir mein Atelier oft als eine Art Bühne, die mir manchmal auch eine Form von Sicherheit verleiht. Leute, die ich das erste Mal treffe, können anhand meines Studios ziemlich schnell ableiten, wer ich bin und woher ich stilistisch komme. Vielleicht wäre dies bei einem klar separierten Ladengeschäft weniger ersichtlich.

Als ich mit der Arbeit im Studio begonnen habe, hatte ich zunächst Zweifel, ob der Umstand, dass ich auf der Fläche arbeite und lebe von Klienten als Schwäche empfunden werden könne, wenn sich beispielsweise meine zweijährige Tochter bemerkbar macht oder Ähnliches. Mittlerweile habe ich aber festgestellt, dass – ganz im Gegenteil – die meisten Besucher die vertraute Salon-Atmosphäre sehr schätzen.

Das Besprechen und Ausmessen eines Anzuges ist ein ziemlich intimer Prozess, bei dem es erst um die inneren, geschmacklichen und dann um die äußeren, anatomischen Eigenschaften des Kunden geht. Dieses Prozedere umringt von Leuten hinter einer großen Schaufensterscheibe an einer belebten Straße durchzuführen, fühlt sich für mich nicht richtig an.

Dadurch, dass das Atelier buchstäblich Teil meines Zuhauses ist, empfinde ich Besucher nicht nur als Kunden, sondern eben auch als Gäste. Hierdurch entsteht definitiv ein besonderes Klima, was auch manchmal dazu führt, dass Leute, die zunächst aus „streng geschäftlichen Gründen“ zu mir gefunden haben, später mit einem Glas Wein bei uns am Esstisch sitzen und zu Freunden werden.

Nachteile halten geteilte Räumlichkeiten natürlich auch bereit. So ist es manchmal mühsam, seine private Planung und Ordnung nach dem Atelier richten zu müssen. Beispielsweise, wenn nach einem ausgiebigen Dinner mit 12 Leuten, am nächsten morgen um neun Uhr ein Neukunde erwartet wird. Zwar sind unsere rein privaten Räumlichkeiten und das Atelier voneinander getrennt, trotzdem liegen sie eben sehr nah zusammen, oder gehen vielmehr ineinander über, wodurch man den jeweils anderen Teil also doch immer berücksichtigen muss. Meine Freundin Anna ist eine riesige Unterstützung.

Wie bist Du bei der Einrichtung vorgegangen?

Ich denke, dass vielen von uns in Bezug auf Einrichtung zwei Seelen in der Brust schlagen. Auf der einen Seite lieben wir klare Formen und Linien und das daraus resultierende reduzierte, moderne Raumgefühl, auf der anderen Seite steht die gemütliche, leicht chaotische Jugendstilwohnung, in der es neben Stuck und anderen Ornamenten in jeder Ecke irgendetwas zu entdecken gibt. Wir haben in meinem Atelier und unserer Wohnung versucht, diese beiden Wohngefühle miteinander zu verbinden.

Die Kunstwerke in meinem Atelier, die fast ausschließlich von Freunden kommen, sind beispielsweise zum großen Teil eher kühl, frei von Farben und in einfachen oder linearen Formen gehalten. Ihnen und dem industriellen Charakter, welchen die alten Fabrikräume als solche mitbringen, habe ich einige antike, organische Möbel aus dem Fundus meiner Familie gegenübergestellt. Hierzu gehören der kunstvoll verzierte Jugendstil-Carambolagetisch oder verschiedene bernsteinfarbene, warme Lichtquellen aus Tierhäuten und Ähnlichem.

Über meinem USM, das bekanntlich durch seine sehr klare Form besticht, hängt wiederum eine Malerei von Daniel Mohr, die in ihrer Farbigkeit von den restlichen Arbeiten im Atelier eher abweicht. In unseren privaten Räumen herrscht wiederum eine andere Atmosphäre, da sich hier die Arbeiten und Stücke von Anna und mir ergänzen.

“Das Besprechen und Ausmessen eines Anzuges ist ein ziemlich intimer Prozess.”

Was ist Dir besonders wichtig wenn Du neue Möbelstücke aussuchst?

Charakter, Originalität, Langlebigkeit, Funktionalität. Wenn die Einrichtung einer Person eine Geschichte erzählen soll, dann sind die einzelnen Möbelstücke logischerweise die verschiedenen Protagonisten, die im Zusammenspiel das Epos ausmachen.

Seit wann besitzt Du USM und hast Du eine besondere Beziehung zu dem Möbelstück? Gibt es eine Geschichte dazu?

Mein USM war ursprünglich mal original weiß lackiert und stand im häuslichen Büro meines Vaters, der es wohl irgendwann Mitte, Ende der 80er Jahre erstanden haben muss. Darauf befand sich damals unser erster PC, den mein Vater selbst wohl kein einziges Mal benutzt hat, der aber wahrscheinlich aus atmosphärischen Gründen in einem Büro der 80er Jahre auf keinen Fall fehlen durfte. Also habe ich dann den PC für verschiedene Videospiele benutzt und so auch das USM zum ersten Mal in Gebrauch genommen.

Später, als meine Eltern nach Mecklenburg aufs Land zogen, brach eine eher dunkle Zeit für das USM an, da es tatsächlich im Abstellraum unseres Kellers als Werkzeugschrank für den Hausmeister diente. Irgendwann aber entdeckte mein Vater das mittlerweile recht ramponierte Schmuckstück wieder, holte es buchstäblich aus der Versenkung und ließ es in dem jetzigen Sahara Ton spritzen. Nachdem es dann wieder einige Jahre treu meinen Eltern im direkten Umfeld gedient hatte, fand es seinen Weg zu mir ins Atelier. Momentan sieht es ein bisschen so aus, als ob meine Schwester ein Auge auf das bei mir befindliche elterliche Stück geworfen hat, wodurch zu meinem Leidwesen der Ausblick entsteht, dass möglicherweise der Werdegang unseres USM Regals weiterhin bewegt bleibt.

Danke Robert, für den spannenden Einblick in deine Arbeitsphilosophie und dein Atelier.

Dieses Porträt hat das internationale Interviewmagazin Freunde von Freunden produziert. Dort sind noch weitere Informationen zu Roberts Person und seiner Arbeit zu finden.

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