Oliver Holy

Oliver Holy

Geschäftsführer, Classicon

20. Juli 2014

München

In der beeindruckenden Firmenzentrale in München-Riem treffen wir den bestens gelaunten Oliver Holy, Sohn von Unternehmer Jochen Holy sowie Urenkel des Textilpioniers Hugo Boss, welcher der Kopf hinter dem Erfolg von der Möbelfirma Classicon ist. In seinem Büro, dessen herrlich große Fensterfront den Blick ins Grüne freigibt, sprechen wir über den Designstandort München, Konstantin Grcic und Holys Passion für Schwabing.

Sie haben eigentlich Jura studiert. Wie passte das mit Ihrer Liebe zum Design zusammen?

Ich bin in Jura quasi hineingerutscht. Ursprünglich wollte ich Design studieren. Aber ich habe gemerkt, dass die Chance, damit Einfluss zu gewinnen, gering ist. Auch wenn du als Designer wirklich erfolgreich bist, entscheidet letztendlich eine Firma, ob sie einen Entwurf realisiert oder nicht. Das Jura-Studium war schließlich das Beste, was mir passieren konnte. Es hat mir eine völlig neue Sichtweise ermöglicht.

1998 hat Ihr Vater Jochen Holy Classicon übernommen. Sie kamen kurze Zeit später ins Unternehmen.

Genau, das war die Zeit, als ich kurz vor meinem Staatsexamen stand, aber bereits wusste, dass Jurist nicht mein Traumjob ist. Mein Vater riet mir, das Studium dennoch zu beenden. Er war der Meinung, ich könne nach meinem zweiten Staatsexamen immer noch in die Firma einsteigen. Ich habe eine Nacht darüber geschlafen und traf dann die Entscheidung, dass ich mein Jura-Studium beende. Ich wusste einfach, dass die Chance, sofort bei Classicon einzusteigen, exakt das war, was ich machen wollte.

Mit 8 Jahren hat sich Oliver Holy zum ersten Mal Kunst zu Weihnachten gewünscht. Die ersten Geschenke waren Fotografien von Nan Goldin.

Wie lief die Anfangszeit?

Von meinem Vater kam die klare Ansage, dass ich beweisen muss, was ich kann. Ich war zunächst natürlich nicht Geschäftsführer, ich war gar nichts. Ich habe alles gemacht, war in der Buchhaltung, im Betriebsinnendienst, in der Produktentwicklung, im Einkauf, mit den Vertretern unterwegs, im Lager, auch wenn, wie bei mir, im Rollstuhl nicht ganz so viel im Lager geht. Mein Vater hat immer gesagt, ich müsse wissen, wie es im Lager funktioniere. Dort wüssten sie besser über die Firma Bescheid, als in der Chefetage.

2003 wurden Sie dann Geschäftsführer.

Das war nach dem Zusammenbruch der New Economy eine harte Zeit. Aber ich glaube, es ist das Beste, wenn man erst einmal kämpfen muss, als wenn alles wunderbar läuft. Dann kann es nur aufwärtsgehen.

2002 bezogen Sie den jetzigen spektakulären Firmensitz in München-Riem. Der Architekturkritiker Gerhard Matzig bezeichnete das Gebäude als „Luxusliner, der auf einem Acker gelandet sei“. Was änderte sich am neuen Standort?

Wir haben nach und nach neue Bereiche erschlossen, unsere komplette Corporate Identity geändert, sind zu einer neuen Agentur in München gewechselt. Wir haben Ausstellungen mit Konstantin Grcic und Eileen Gray konzipiert. Es gab Projekte mit Alfred Häberli, ein eigenes Büchlein mit Grcic. Kurz gesagt: Wir wurden internationaler.

Welche Fähigkeiten sind in Ihrer Position am wichtigsten?

Die Augen offen halten, Spaß haben an dem, was man macht. Vorurteile sind das Schlimmste. Eine gewisse Vorsicht. Ich würde nie etwas nur um des kommerziellen Erfolges willen machen. Damit würde ich mich selbst verkaufen. Sehen Sie, von mir wird erwartet, dass ich die Klassiker von Morgen entwickle. Ich kann aber nicht fünf Klassiker in Köln zeigen und fünf in Mailand. Es entstehen höchstens zwei, drei Klassiker pro Jahr. Und da zähle ich alle Möbelfirmen wie Vitra oder Moroso mit. Ich will ein Produkt machen, das mindestens zehn Jahre besteht. An Classicon wird geschätzt, dass wir nicht übereilt ein Produkt auf den Markt werfen. Dahinter steckt vielleicht tatsächlich meine schwäbische Vorsicht.

Ihre Familie stammt ja aus dem Schwäbischen. Wie kamen Sie nach München?

Meine Mutter ist Münchnerin. Bis zu meinem 16. Lebensjahr wohnten wir in Metzingen. Aber es gab schon immer einen starken Bezug zu München und dem Tegernsee. Wir verbrachten seit ich denken kann jedes zweite Wochenende dort. 1992 bin ich mit meiner Familie endgültig an den Tegernsee gezogen.

Privat wohnen Sie nun in Schwabing in der Nähe der Feilitzschstraße. Was mögen Sie an diesem Stadtviertel?

Ich fühle mich dort unheimlich wohl und mag die extremen Kontraste. Luxuriöse Anwesen neben urigen Kneipen wie Hopfendolde und Albatros oder tollen Restaurants wie Occam Deli und Seerose. Ich finde Schwabing authentischer als Glockenbachviertel und Gärtnerplatz. Die dort ansässigen Möchtegern-Kreativen sind weniger mein Fall. Die glauben, sie seien hip, nur weil sie dort wohnen. Aber nur weil sie dort hingezogen sind, ändert sich doch bei ihnen im Kopf nicht automatisch etwas. Aber ohne Zweifel gibt es dort viele Designer und Kreativagenturen, auch wenn es für die mittlerweile teuer geworden ist.

Sie sprechen die Kreativwirtschaft an. Wie bewerten Sie München in dieser Hinsicht?

München ist sicher nicht der Nabel der Kreativität, aber eine sehr angenehme Stadt, in der man eben für alles länger braucht. Das ist auch gut, denn wenn eine Sache schief geht, fällt man nicht so tief. Wir haben sehr gute Galerien und großartige Museen, einen perfekten Kulturmix aus Modern und Alt, etwa die Pinakotheken. Viele Internetplattformen sind in München, aber natürlich auch Global Player wie Siemens und BMW, die in neue Technologien investieren und kreative Leute brauchen. Es existiert alles in München, aber es ist ruhiger.

Zu gemütlich für den Standort von Classicon?

Keinesfalls, denn München als Standort ist für uns nicht allein ausschlaggebend, da wir mit Classicon in 53 Ländern vertreten sind. Wir fliegen von hier aus überall in die ganze Welt hin. Aber wir haben natürlich gute Händler vor Ort.

Die Arbeitsplätze bei ClassiCon sind durch USM Haller Regale getrennt. Steht man auf, nimmt man den großen Raum wahr, sitzt man dagegen merkt man, dass es sich um viele kleine Räume handelt.

Gibt es dennoch etwas, das Sie in München vermissen?

Den internationalen Input, der Berlin bereichert. In Berlin spricht man häufig Englisch, überall sprießen junge Galerien aus dem Boden. Aber was immer vergessen wird und weshalb einige größere Galerien Berlin wieder verlassen haben: Das Geld fehlt. Berlin ist eine arme Stadt. In München kommen Käufer in die Galerien, die auch mal über 100000 Euro ausgeben können. Das ist in der Kunst ja heute gar nicht mehr so schwer. Wenn in Berlin ein Graubner oder Gursky angeboten wird, kommt der Käufer oft aus München.

Sehen Sie noch andere Unterschiede als die Kaufkraft?

In Berlin feiern die Menschen mehr und zelebrieren sich selbst. In München dominiert das zurückhaltende Süddeutsche nach dem Motto: Ich muss nicht jedem erzählen, was ich mache. Hier regiert das sichere Denken. Ich liebe Berlin und finde es ganz großartig, aber wohnen möchte ich dort nicht, auch wenn ich mal überlegt habe, mir eine Wohnung zu nehmen, weil ich viele Freunde dort habe. Aber ich habe es nicht gemacht, weil ich sowieso ständig unterwegs bin. Da wüsste ich gar nicht, wann ich das unterbringen soll. Außerdem fahre ich am Wochenende gern an den Tegernsee. Es gibt so viele schöne Dinge, die man im Münchner Umland erleben kann.

“Ich will ein Produkt machen, das mindestens zehn Jahre besteht.”

Welche internationale Stadt inspiriert Sie?

New York ist eine Wahnsinnsstadt, die so unheimlich schnell lebt. Von dort kehre ich immer mit neuen Ideen zurück. Ich mag die amerikanische Mentalität.

Warum?

Wenn die Amerikaner hinfallen, stehen sie sofort wieder auf und probieren das Nächste aus. Die Deutschen sind vorsichtiger. In Amerika schaut dich keiner komisch an, wenn du eine Pleite hingelegt hast. In Deutschland würde das bedeuten, du kannst nichts. In den USA hieße es: „Hey, ich stehe wieder auf, marschiere geradeaus und entwickle eine neue Idee.“ Wenn jemand in den USA ein großes Auto fährt, sagt jeder: „Wow, der ist erfolgreich, der hat es geschafft.“ In Deutschland heißt es: „Der zahlt zu wenig Steuern.“ Deswegen gehen Deutsche mit ihren Leistungen zögerlicher an die Öffentlichkeit.

Bei ClassiCon wird kein Produkt vorschnell auf den Markt gebracht. Dahinter steckt zum Teil auch Olivers schwäbische Vorsicht.

“Ich würde nie etwas nur um des kommerziellen Erfolges willen machen.”

Lassen Sie uns über Design sprechen. Wie schätzen Sie die Szene in München ein?

Sehr lebendig. Konstantin Grcic, Stefan Diez und genügend andere Designer leben in München. Ich kenne jetzt auch wirklich keinen jungen Designer, der großartig ist und in Berlin sitzt. Werner Aisslinger ist natürlich in Berlin.

Konstantin Grcic designt ebenfalls für Classicon. Wie wichtig ist er für Sie?

Er ist mein Lieblingsdesigner. Ich fühle mich mit seinen Formen und Materialien wohl. Die Zusammenarbeit mit ihm macht unheimlich Spaß. Und ich mag ihn als Mensch. Das gilt auch für Sebastian Herkner. Wir treffen uns immer wieder und knüpfen immer da an, wo wir bei der letzten Begegnung stehen geblieben sind.

Neben Design ist Kunst Ihre große Leidenschaft. Wie hat das begonnen?

Sehr früh. Schon mit 18 Jahren habe ich zu meinen Eltern gesagt, ich wünsche mir Kunst zu Weihnachten oder zu meinem Geburtstag. Die ersten Geschenke, an die ich mich erinnere, waren Fotografien von Nan Goldin. Ihre Werke waren damals noch nicht so teuer wie heute. Anfangs war mein Interesse stark auf Fotografie fixiert. Seit ein paar Jahren habe ich nicht mehr so viel Lust darauf. Fotografie ist so beliebig geworden. Jeder versucht sich daran, seit es Digitalkameras gibt. Ein gemaltes Bild existiert eben doch nur einmal. Da saß der Maler länger dran. Das mag ich. Mittlerweile kaufe ich auch sehr gern Objekte. Früher hätte ich mir das nie vorstellen können. Besonders Arbeiten junger Künstler schätze ich. Für mich ist der Name nicht so wichtig. Mir muss es gefallen, denn ich lebe mit den Skulpturen. Unerreicht sind für mich natürlich Künstler wie Cy Twombly und John Chamberlain.

Ihrer Familie gehörte einst das Boss-Imperium. Welche Mode begeistert Sie persönlich?

Bei der Qualität mache ich weder in meiner Firma noch bei meiner Kleidung Kompromisse. Wenn ich mir einen Kaschmirpullover kaufe, ist es ein gescheites Kaschmir. Wenn ich im Laden von Andreas Murkudis in Berlin bin, komme ich nie ohne eine Tüte raus. Nike machen immer wieder tolle Editionen.

In Ihrem Büro sticht besonders das minimalistisch-elegante Design der USM Haller Sideboards ins Auge. Was schätzen Sie an der Marke?

Die unheimlich große Wertbeständigkeit. Die Stücke sind praktisch und geschickt und für mich die schönsten Möbel, die es gibt. Ich hätte sie nicht in meinem Büro, wenn sie mir nicht gefallen würden. Ich verbringe neun Stunden am Tag in diesem Raum. Deswegen ist es für mich wichtig, mich mit ästhetischen Sachen zu umgeben. Gottseidank habe ich den Luxus, mir mein Büro auswählen zu dürfen. Das, was Sie sehen, stellt hundertprozentig meine Persönlichkeit dar.

Welche Möbel von USM besitzen Sie?

Sowohl mein Büro und als auch die meiner Mitarbeiter bei Classicon sind komplett mit USM Haller Side- und Highboards eingerichtet. Wir haben das konsequent durchgezogen.

Wie lange besitzen Sie Ihre USM Haller Möbel schon?

Manche Stücke sind fast 30 Jahre alt. Ich könnte jetzt aber nicht durchgehen und sagen, dieses Stück ist 30 Jahre alt und das fünf Jahre. Wir haben eben kontinuierlich dazugekauft und vergrößert.

Sie sind damit bestimmt schon ein paar Mal umgezogen, oder?

Bereits mehrmals, denn sie waren ja ebenfalls an unserem frühen Standort. Jedes Mal, wenn wir umgezogen sind und die Teile auseinander- und wieder zusammengebaut haben, kam wieder ein Stück dazu.

Verbinden Sie Erinnerungen mit der Marke?

Ja, denn ich bin tatsächlich damit aufgewachsen. Ende der 70er-Jahre hat mein Vater beschlossen, seine komplette Firma mit USM Haller einzurichten. Das war einer der größten Aufträge zur damaligen Zeit. Die Möbel sind bis heute mein ständiger Begleiter.

Wie profitiert die Gestaltung Ihrer Büros von den Möbeln?

Das Zusammenspiel zwischen großem und kleinem Raum wirkt sich sehr positiv auf den Gesamteindruck aus. Wir haben ja ein offenes, großes Büro und trennen die Arbeitsplätze mit den USM Haller Regalen. Steht man auf, nimmt man unser Büro als großen Raum wahr. Sitzt man dagegen, merkt man, hoppla, das sind ja viele kleine Räume in einem großen Raum. Und noch einen Vorteil gibt es: Wenn ich sitze, dann habe ich im Rücken eine Barriere, die mich abschirmt.

Welche Gegenstände bewahren Sie in Ihren Sideboards auf?

Sehr viele Dinge. Etwa meine alte Braun Anlage, die so wunderschön designt ist. Oder meine Bücher. Ordner habe ich in den geschlossenen Fächern verstaut. Auf die Oberfläche pinne ich Einladungen und Karten mit Magneten.

Ändern Sie die Arrangements gelegentlich?

Klar, ständig. Seit ein paar Wochen hängt hier eine sehr schöne Karte von meiner Schwägerin mit einer Illustration. Daneben Einladungen zu Vernissagen oder mal zu einer Party im Chateau Marmont oder zu einer Veranstaltung bei Sotheby’s. Besonders gern mag ich das Schild mit dem Andy-Warhol-Satz „All is pretty“, den mir das Interview Magazine geschenkt hat. Aber auch das Foto meines Mustangs passt großartig.

Haben Sie Vorlieben bei der Farbe?

Schwarz, wie man unschwer erkennen kann, denn so kommen die Gegenstände, die ich in den Fächern aufbewahre, viel besser zur Geltung. Wenn ich so nachdenke, sind die USM Möbel fast das einzige Möbelstück, das ich in Schwarz besitze. Ich habe kaum schwarze Kleidungsstücke. Der Italiener würde immer ein ganz dunkles Blau wählen, aber niemals Schwarz. Und sie gelten nicht umsonst als die bestgekleidetsten Menschen der Welt.

Und wie sieht ein ganz normaler Tag bei Ihnen aus?

Der beginnt morgens mit dem Versuch, Sport zu treiben. Im Sommer funktioniert das sogar. Generell bin ich in der Firma natürlich viel mit dem Tagesgeschäft beschäftigt. Aber ich habe auch konstant mit Produktentwicklern und Herstellern zu tun. Bei mir laufen alle Fäden zusammen, was mir Spaß macht. Ich reise sehr viel, demnächst zur Mailänder Möbelmesse, dann zur International Contemporary Furniture Fair nach New York, danach zu einem Händler nach Japan, anschließend nach Shanghai. Dazwischen bin ich noch in Paris und London.

Eine letzte Frage: Wenn Sie so viel von der Welt sehen, gibt es etwas, das Ihnen in München-Riem ab und an fehlt?

Ich vermisse es, in der Stadt Mittagessen zu gehen. Es dauert eben eine Viertelstunde, wenn ich mit dem Auto in die Innenstadt fahre. Ich habe mir mal vorgenommen, das mindestens einmal in der Woche zu machen, aber die Realität sieht leider anders aus. Vielleicht müsste ich mir dafür einfach mehr Zeit nehmen.

Wir danken Oliver Holy, dass er uns für einen Vormittag einen Einblick in die außergewöhnliche Welt von Classicon gewährt hat.

Dieses Porträt hat das internationale Interviewmagazin Freunde von Freunden produziert. Noch mehr USM Möbel für das Büro und das eigene Zuhause finden sich hier.