Ricarda Messner

Ricarda Messner

Gründerin von Flaneur & Sofa

30. August 2016

Berlin

Für die Berlinerin Ricarda Messner ist Einrichtung nie ein besonders wichtiges Thema gewesen. Doch was in der Wohnung einer erfolgreichen Magazinmacherin natürlich nicht fehlen darf, ist ein Aufbewahrungsort für all die Printmedien, die sie in ihrer eigenen Arbeit inspirieren. Das USM Haller Regal von Ricarda ist exakt so alt wie sie selbst und stand früher im Flur ihrer Eltern. Heute beherbergt es die Publikationen, die die Gründerin der Magazine Flaneur und Sofa geprägt haben. So beständig wie ihr Regal ist auch die Umgebung von Ricarda: Nur einmal hat sie ihrer Heimatstadt den Rücken gekehrt und seit einigen Jahren wohnt sie wieder in genau derselben Wohnung, in der sie ihren allerersten Geburtstag gefeiert hat – in einem von dem Berliner Architekten Hinrich Baller entworfenen Haus, dessen Anblick Touristen auf dem Weg zum Schloss Charlottenburg irritiert stehenbleiben lässt. Dort wo sie fast immer gelebt hat, wird Ricarda aller Voraussicht nach auch bleiben – für die 26-jährige gibt es keinen schöneren Ort als den wunderbar unaufgeregten Berliner Westen.

“Oft tut man etwas auf intuitive Weise und eine ganze Zeit lang, dann wacht man eines Tages auf und die Puzzleteile ergeben plötzlich ein Bild.”

Wie bist du zu deiner Wohnung in diesem doch etwas ungewöhnlichen Haus gekommen?

Dies ist tatsächlich die erste Wohnung meiner Mutter, die in den 70er Jahren aus Riga nach Deutschland und letztlich in den 80ern nach Berlin gekommen ist. Dann bin ich geboren und wir haben mein erstes Jahr in genau dieser Wohnung verbracht, bevor wir zusammen mit meinem Vater in eine größere in der Nähe gezogen sind. Ich erinnere mich noch genau an meinen ersten Geburtstag hier. Es gibt unzählige Bilder von meiner schwangeren Mutter und später mir selbst, die in diesem Wohnzimmer entstanden sind.

Aber in der Zeit dazwischen hat in dieser Wohnung niemand aus deiner Familie gewohnt?

Ich hatte wahnsinniges Glück hier wieder herkommen zu können. Meine Großeltern wohnen schon seit Jahrzehnten im Nebenhaus und als ich vor einigen Jahren auf Wohnungssuche war, rief meine Oma mich an weil sie mitbekommen hatte, dass diese Wohnung wieder frei geworden war. Daraufhin habe ich der zuständigen Hausverwaltung von meiner emotionalen Verbundenheit mit diesem Ort erzählt und bin ihnen vermutlich einige Wochen richtig auf den Keks gegangen. Zunächst hat man mich monatelang im Ungewissen lassen, schließlich durfte ich aber doch den Mietvertrag unterschreiben.

Das ist deine erste eigene Wohnung, also musstest du dich auch komplett einrichten?

Ehrlich gesagt, gibt es wenige Möbel in dieser Wohnung, die ich selbst extra gekauft habe. Die Barhocker zum Beispiel, die allerdings denen, die hier damals standen, sehr ähneln. Die rote Kommode und den Schreibtisch habe ich auch angeschafft. Das Sofa – unfassbar bequem und schon mindestens 30 Jahre alt – habe ich von meiner Mutter bekommen. Ebenso das USM Haller Regal und den dazu passenden Fernsehtisch, die meine Eltern in meinem Geburtsjahr gekauft haben. Das Regal ist also genau so alt wie ich – das Alter merkt man ihm allerdings nicht an, so ein Regal ist einfach unzerstörbar.

Du bist für deine Arbeit unheimlich viel unterwegs, deine Wohnsituation ist hingegen ziemlich konstant. Was bedeutet nach Hause kommen für dich?

Die Gegend ist ziemlich resistent, was Veränderungen betrifft. Natürlich macht auch ab und an mal ein neuer Laden auf, aber hauptsächlich ist das hier ein eher unaufgeregtes Wohngebiet. Wann man etwas erleben will, muss man in einen anderen Bezirk fahren. Ich mag diese Beständigkeit. Meine Wohnung und ihre Umgebung sind eine Konstante, anhand derer ich die Veränderungen in meinem Leben ablesen kann.

In dieser Straße wurde ich schon im Kinderwagen auf und ab geschoben und es ist schon ein verrücktes Gefühl, mir Kindervideos von mir anzuschauen, die genau dort aufgenommen wurden, wo ich jetzt als Erwachsene lebe und arbeite.

“Meine Wohnung und ihre Umgebung sind eine Konstante, anhand derer ich die Veränderungen in meinem Leben ablesen kann.”

Du arbeitest auch von deiner Wohnung aus?

Während sich die Arbeit an Flaneur professionalisiert hat, habe ich einen Anlauf gestartet und ein Büro angemietet. Ich musste aber feststellen, dass dies für mich nicht funktioniert und ich eigentlich auch gar kein Büro brauche. Mein Tagesablauf ist sehr unregelmäßig und ich bin viel unterwegs. Allerdings verlangt das Arbeiten von Zuhause auch sehr viel Disziplin ab, schließlich sind die Wege zu Couch und Bett sehr kurz.

Flaneur präsentiert mit jeder Ausgabe eine Straße in einer anderen Großstadt. Dein Redaktionsteam und du verbringen dort dann jeweils einige Zeit, um tiefer in diese Mikrokosmen einzutauchen. Was hat sich für dich persönlich durch diese Arbeit verändert?

Seit ich Flaneur mache, nutze ich eigentlich immer weniger Hilfsmittel wie Google Maps wenn ich an fremden Orten bin und verlasse mich mehr auf meine Intuition. Auch der Blick auf meine eigene Straße hat sich natürlich verändert. Erst so langsam wird mir klar, was hier zu wohnen eigentlich für mich bedeutet und wie sich mein Leben auf dieser Straße etappenweise entwickelt hat. Wie gesagt, das ist so, als könnte ich mein Leben an ihr ablesen. In dem Licht erscheint es schon fast wie Ironie, dass ich ein Magazin über verschiedene Straßen mache.

Was sich an meinem Leben hier im Westen Berlins und der Arbeitsweise, der wir bei Flaneur nachgehen, ähnelt, ist ein bestimmtes Gefühl. Oft tut man etwas auf intuitive Weise und eine ganze Zeit lang, dann wacht man eines Tages auf und die Puzzleteile ergeben plötzlich ein Bild. Es ist diese wachsende Klarheit darüber, warum man überhaupt macht, was man macht.

“Wenn ich an fremden Orten bin, verlasse ich mich auf meine Intuition.”

Wie geht ihr vor, wenn ihr an einer neuen Ausgabe arbeitet? Wie sucht ihr die Straße aus?

Es ist immer wieder ein Neuanfang wenn wir in eine Stadt zu kommen und uns auf die Suche nach der Straße für die nächste Ausgabe zu machen. Wir haben keine festen Kriterien und lassen uns von unserem Gefühl leiten. Das Spannende an dieser Methode ist, dass sich dieses anfängliche Grundgefühl gegenüber der jeweiligen Straße dann immer in der weiterführenden Recherche bestätigt. Allerdings haben wir nicht den Anspruch etwas allgemein gültiges über diesen Ort zu erzählen oder den Ort im klassischen Sinne eines Stadtführers zu bewerben. Wir sammeln Fragmente und lassen die Straße ihre subjektiven Geschichten erzählen.

Natürlich ist mit jeder Ausgabe ist auch irgendwo ein Scheitern verbunden. Auch wenn wir uns von dem Anspruch befreit haben, eine objektive und gültige Sicht auf eine Straße zu geben, gibt es hinterher immer Ideen, was wir hätten anders machen können. Aber dann denken wir uns: Nein, das ist eben wie wir den Ort zu diesem Zeitpunkt gesehen haben.

Wenn du so viele verschiedene Orte zu sehen bekommst, hast du dann jemals darüber nachgedacht, umzuziehen?

Nein, ich möchte hier nicht wirklich wegziehen. Das Ziel wäre höchstens eine größere Baller-Wohnung.

Danke Ricarda, dass wir auf deinem wirklich bequemen Sofa Platz nehmen und deine persönliche Geschichten hören durften!

Dieses Porträt hat das internationale Interviewmagazin Freunde von Freunden produziert. Dort sind noch weitere Informationen zu Ricardas Person und ihrer Arbeit zu finden.

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